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Zielke-Nadkarni, Andrea  (2004)

Jüdische Flüchtlinge aus der GUS.
Soziokulturelle Hintergründe, Versorgungsbedarf und Pflege

Verlag Huber, Bern, 139 Seiten, ISBN: 3456841663

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Inhalt     Inhaltsverzeichnis

Aus der Einleitung  -  Andrea Zielke-Nadkarni

Im Rahmen meines persönlichen Forschungsinteresses und -Schwerpunkts, der Verbesserung der pflegerischen Betreuung von Migrantinnen und soziokulturellen Minderheiten, kooperierte ich bereits vor rund drei Jahren mit der Landesstelle Unna-Massen und erarbeitete mit Studentinnen der FH Münster einen „Führer durch das deutsche Gesundheitssystem für russische Aussiedler", welche die Mehrzahl der in der Landesstelle aufgenommenen Personen darstellen. In diesem Zusammenhang berichteten uns bereits damals die Mitarbeiter der Landesstelle von einer Minderheit jüdischer Kontingentflüchtlinge aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), deren soziokultureller Hintergrund von dem der russischen Aussiedler deutlich verschieden sei.

Dies weckte mein Interesse, und da eine Literaturrecherche speziell im Hinblick auf die Lage der aus der GUS stammenden jüdischen Migrantinnen wenig konkrete Informationen ergab, entstand die Idee zu diesem Projekt. Sie wird auch durch den steilen Anstieg der Zuwandererzahlen unterstützt: Nach 1945 lebten hierzulande ca. 15.000 Juden, hauptsächlich überlebende Männer aus Deutschland selbst oder aus den KZs Osteuropas (Jacoby, 2001). Bis 1989 erhöhte sich die Zahl auf rund 30.000 Personen. Mittlerweile gibt es bundesweit über 50 jüdische Gemeinden, und die Anzahl jüdischer Mitbürgerinnen stieg von 1993 bis 2000 auf nahezu 137.000 Menschen (Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, 2001, S. 34), weil seit 1991 jüdische Flüchtlinge mit einem Sonderstatus als Kontingentflüchtlinge aus der GUS zu uns kommen. Folglich sind in den letzten 13 Jahren rund 100.000 Menschen zugewandert.

Wissenschaftstheoretisch handelt es sich bei dem vorliegenden Unterfangen um ein interdisziplinäres Pilotprojekt mit pflegewissenschaftlichen und migrationssoziologischen Bezügen.

Aus migrationssoziologischer Sicht stehen die individuellen und familialen Auswirkungen des Lebens in zwei sehr unterschiedlichen Gesellschaften und der Wanderung im Blickpunkt des Interesses; aus ethnographischer Perspektive ist es der über das Verstehen gesuchte Zugang zu den Deutungsperspektiven der Zielgruppe und deren Erwartungen an die Aufnahmegesellschaft.

Aus pflegerischer Perspektive dominiert der Bedarf nach Hinweisen, die die Beziehung von Personen unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeit im Rahmen einer Pflegesituation individuell und soziokulturell angemessen fördern und damit eine Effektivitätssteigerung der Pflege herbeiführen können.

Das Projekt intendiert eine Synthese dieser drei Arbeitsaspekte im Hinblick auf eine der Zielgruppe angemessene Pflegepraxis. Großer Raum wird in der vorliegenden Studie zum einen der Geschichte des osteuropäischen Judentums (Kap. 3) zugemessen, da sie die jahrhundertelange Verfolgung nachzeichnet und damit deutlich macht, wie Angst, als Resultat gesellschaftspolitischer Entwicklungen, zu einem so bestimmenden Faktor in den Einzelbiographien unserer Informantinnen werden konnte.

Zum anderen hat die internationale Literaturstudie zur pflegerischen Versorgung jüdischer Patienten (Kap. 4) große Bedeutung, weil wir im Rahmen unserer eigenen qualitativ-explorativen Studie nur wenige Personen befragen konnten und gerade die Holocaust-Opfer, die in der Literaturstudie eine entscheidende Rolle spielen, zu krank oder psychisch nicht in der Lage waren, sich in den Interviews mit uns noch einmal den Schrecken der Vergangenheit auszusetzen. Obwohl sie also in unserer Studie nicht in Erscheinung treten, sind sie ein wichtiges Klientel jüdischer Altenpflegeheime auch in Deutschland, auf dessen spezifische Versorgungsbedarfe die Literaturstudie eindringlich hinweist.

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          Einleitung   9

1.       Zielsetzung des Forschungsprojekts   11

2.       Zielgruppe   13

3.       Geschichte des osteuropäischen Judentums   17

4.       Literaturstudie zur pflegerischen Versorgung jüdischer Patientinnen   27

4.1     Die Situation Holocaust-Überlebender   28

4.2     Religiöse Orientierung als pflegerelevantes Alltagsphänomen   35

4.3     Besonderheiten osteuropäischer bzw. russischer Juden    39

4.4     Ethisch-moralische Standpunkte im Judentum als Basis der Pflege jüdischer Patientinnen   44

4.5     Betreuungsaspekte im Rahmen von Schwangerschaft, Geburt und Umgang mit Säuglingen   46

4.6     Aspekte für die Pflege und Betreuung gerontologischer Patienten   47

4.7     Palliative Pflege und jüdisches Brauchtum im Umgang mit Sterbenden   49

5.       Ergebnisse eines Arbeitsaufenthaltes in San Francisco   53

5.1     Zum Master-Studiengang „Community and Cross-Cultural Health Studies"   53

5.2     Zur besonderen Situation und pflegerischen Versorgung der jüdischen Bevölkerung in San Francisco und Nord-Kalifornien   54

5.3     Zum Erkenntnisgewinn für das Projekt   57

6.       Forschungsinteresse und Methode der ethnographischen Studie   59

7.       Präsentation und Diskussion der Ergebnisse der ethnographischen Studie   63

7.1     Bilanz der Migration   63

7.2     Familiäre und außerfamiliäre Kontakte und Strukturen   70

7.3     Angst als Lebenserfahrung in ihren Auswirkungen auf die Interviewsituation   74

7.4     Religiosität vor und nach der Migration   78

7.5     Versorgungssituation und Pflegebedürftigkeit   83

7.6     Bedeutung der Religion für die Pflege   85

7.7     Verständnis, Bedeutung und Erleben von „Gesundheit"   88

7.8     Verständnis, Bedeutung und Erleben von „Krankheit"   91

7.9     Kriterien einer guten Pflege/Versorgung   98

7.10   Kriterien einer schlechten Pflege/Versorgung   104

7.11   Anforderungen an die pflegenden Angehörigen durch Pflegebedürftigkeit in der Familie   106

7.12   Belastungen der Pflegenden durch die Pflegesituation   107

7.13   Hausmittel und Heilmethoden   110

7.14   Geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung im Rahmen familiärer Hilfeleistungen   113

8.        Versorgungsstrategien für die pflegerische und gesundheitliche Betreuung der Flüchtlinge   115

8.1     Zusammenfassung der Ergebnisse im Hinblick auf die Entwicklung von Strategien zur pflegerischen Versorgung osteuropäischer jüdischer Migrantinnen   116

8.2     Allgemeine Versorgungsstrategien für die Pflegepraxis   119

8.3     Spezielle Versorgungsstrategien von Pflegeanbietern   123

9.        Evaluation und Praxisrelevanz der Ergebnisse   127

10.      Nachfolgeprojekte   129

11.      Schlusswort    131

            Literatur    133 

 

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