
Schwerpunkte der Vereinsarbeit des Kalenderjahres
Ende 2009 bis Ende 2010 bestanden in der Erstellung bzw. Fertigstellung des
Tagungsbandes „Der Halbe Stern: Verfolgungsgeschichte
und Identitätsproblematik von Personen und Familien teiljüdischer Herkunft“, in
der Vorbereitung des kommenden Gedenktages am 27. Januar 2011 (jährliche
Veranstaltung in der Kölner Antoniterkirche), der Verlegung mehrerer
„Stolpersteine“ in Berlin-Mitte und einem Film-Projekt im Rahmen der
Praktikumsarbeit von Bella Liebermann.
Öffentlichkeitsarbeit
Hier sind im vergangenen Jahr keine Neuerungen
eingetreten; nach wie vor wird die Internet-Seite sorgfältig „gepflegt“,
Hinweise in eigener Sache oder auch auf Veranstaltungen, die uns wichtig und
mitteilenswert erscheinen, werden dort plaziert bzw. per Newsletter oder
Rund-Mail an Vereinsmitglieder und Interessierte gesandt, ein Service, der, wie
man hört, gerne angenommen wird – Anlass, Dir, Rudolf, herzlich für diese Arbeit
zu danken.
Einen gewissen „Schub“ in unserer
Öffentlichkeitsarbeit erhoffen wir uns von der Publikation unseres
Tagungsbandes, zumal wir durch den Druckkostenzuschuss der Stiftung „Apfelbaum“
in die Lage versetzt sind, gezielt Rezensierende anschreiben zu können und ein
Rezensionsexemplar zukommen zu lassen.
Auch die DVD mit dem ZeitzeugInnen-Gespräch der
Berliner Tagung könnte Gelegenheit für eine verstärkte Vereinswerbung sein (wir
haben jene DVD in großer Stückzahl anfertigen lassen, sie übersteigt diejenige
der gedruckten Ex. des Tagungsbandes).
Für Anregungen, wem wir ggf. einen Tagungsband oder
nur die DVD mit Begleitschreiben zusenden könnten, sind wir dankbar. Es muß ja
nicht nur zu Zwecken der Rezension sein.
Mitgliederwerbung /
Spenden
Ob die Publikation des Tagungsbandes einen positiven
Effekt darauf haben wird, dem Verein weitere neue Mitglieder zu gewinnen, wird
sich erst erweisen – die Tagung selbst zeitigte diese von uns erwartete
Auswirkung ja leider nicht bzw. nicht in dem erhofften Ausmaße.
Immerhin: 5 neue Mitglieder kamen im letzten Jahr
erfreulicherweise hinzu.
Erneut stelle ich den Punkt „Mitgliederwerbung
/Spendeneinwerbung“ zur Diskussion, zumal wir künftige Projekte allein aus den
Beiträgen der Mitglieder nicht finanzieren können.
Einzel-Veranstaltungen
Am 20. Mai fand in Berlin-Mitte (Landsbergerstr.36)
eine kleine Gedenkfeier anlässlich einer Verlegung von insgesamt vier sog.
Stolpersteinen statt.
Damit fand eine ca. über ein gutes Jahr sich
erstreckende Zusammenarbeit des Vereins mit Familie Jansen, v.a. mit Frank
Jansen, ihren bisherigen Abschluss.
Am Anfang war es nur eine Anfrage, kurz nach der
Berliner Tagung und angeregt durch einen Beitrag im Deutschland-Radio - eine
Anfrage mit zwei Namen (Wolfgang und Erwin Naphtali) und wenigen Daten, einigen
Vermutungen (Wolfgang Naphtali und seine Mutter Jettel, deportiert aus Berlin,
wahrscheinlich in Auschwitz ermordet).
Den 20. Mai als Tag der teils privaten, teil
öffentlichen Gedenkfeier zu wählen, war letztlich dem Verfolgungsschicksal
zweier Menschen, derer mit den Steinen gedacht wird, geschuldet.
Denn am 19. Mai 1943 kamen die Deportierten Jettel
und Wolfgang Naphtali, Mutter und Sohn, mit einem Transport, der am 17. Mai aus
Berlin abgegangen war, im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an, um, wie wir
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen müssen, am selben Tag
des 19. Mai 1943 ermordet worden zu sein.
Am 20. Mai 2010 aber war der synagogale Gedenktag
“Jiskor“ im Rahmen und als Abschluß des Schawuoth-Festes, an welchem Gedenktag
wie noch jedem „Jiskor“ Jüdinnen und Juden ihrer Toten, und das heißt immer
auch aller Ermordeten, gedenken.
Eine gewisse Besonderheit der Vierer-Gruppe dieser
Stolpersteine besteht darin, dass ein Stein auch eines überlebenden Verfolgten
gedenkt, Erwin Naphtali, der aus dem Sammellager Große Hamburger Straße wieder
freikommen und untertauchen konnte - dieses alles noch genauer zu recherchieren,
wird uns, Frank Jansen und mich, bestimmt noch weiter beschäftigen.
Wir hoffen, dass auch diese Recherche erneut in
einer kleinen Publikation münden wird.
Projekte,
Einrichtungen
Das Erzählcafé des Vereins besteht weiterhin und
findet nun regelmäßig jeden 1. Do Nachmittag in Köln-Chorweiler stattfindet
(Zielgruppe sind ältere Personen russischer Sprache und jüdischer bzw.
teiljüdischer Herkunft mit dem Lebensmittelpunkt im Kölner Norden).
Nach einer Krise, die durch das wenig professionelle
Kooperationsverhalten von „Phönix“ e.V. ausgelöst worden war („Phönix“ hatte
uns ohne Vorlauf und Nennung einer Alternative die Räumlichkeiten
aufgekündigt), konnten wir das Café weitgehend unbeschadet erneut starten. Es
findet nun im Begegnungszentrum der Kölner Synagogen-Gemeinde Köln statt (nahe
Pariser Platz, Chorweiler-Mitte), letztlich ein Gewinn, denn durch diese
Zusammenarbeit konnten neue personale Kontakte geknüpft werden (größerer
Verteiler auch durch das Gemeindeblatt der Synagoge).
Die Besucherzahl pendelt nach wie vor zwischen 15-20
Personen, Stammgäste eingeschlossen. Da der Verein seit nun gut anderthalb
Jahren PraktikantInnen annimmt und ausbildet (Studierende der Psychologie
/Sozialpädagogik, Sozialarbeit mit russischsprachlicher Kompetenz; z.Zt. läuft
das vierte Praktikum mit zwei Praktikantinnen), ist es möglich, einzelne Gäste
des Cafés intensiver zu begleiten und zu betreuen, sei es in Form von
Hausbesuchen, sei es als unterstützende Beratung gegenüber Ämtern. Diese
Einzelbetreuung erweist sich als eine gute und sinnvolle Ergänzung des Cafés,
da so Beziehungen vertieft, Vertrauen geschaffen und auch die Außenwirkung des
Vereins, verlässliche und vertrauenswürdige Arbeit zu leisten, positiv
verstärkt wird.
Die auch mit dem Erzählcafé verbundene
Erinnerungsarbeit mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen jüdischer und teiljüdischer
Herkunft (zugewandert aus der ehemaligen UDSSR) fand in einem zweiteiligen
Interview, das Bella Liebermann im Rahmen ihres Praktikums und im Hinblick auf
ihre Diplomarbeit (FH Erfurt, Fakultät Sozialwesen) mit einem Geschwisterpaar
führte, eine besondere Konkretion.
Das Interview wurde mit zwei Kameras aufgezeichnet
und in eine endgültige Schnittfassung gebracht, die wir bald einem größeren
Publikum zu zeigen planen.
Uns ein wenig über das Besondere des Interviews und
des interviewten Paares zu hören, bitte ich nun herzlich Bella um ihre
Ausführungen.
Zum Schluss möchte ich noch einen neuen Aufgaben-
und Themenbereich skizzieren, der seit Frühjahr 2010 hinzugekommen ist.
Bisher nur eher passiv beteiligt, die jährlich am
27. Januar in der Antoniterkirche stattfindende zentrale Kölner Veranstaltung
zum Gedenktag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers
Auschwitz/Auschwitz-Birkenau als Mitveranstalter mit dem obligaten Obolus zu
unterstützen, gehört unser Verein nun seit Frühjahr 2010 dem Initiativkreis an,
welcher jeweils die Veranstaltung thematisch-konzeptionell vorbereitet,
durchführt und also inhaltlich verantwortet.
Neben Einzelpersonen gehören dem Kreis der Verein
EL-DE-Haus/NS-Dok, der Bundesverband Beratung und Info für NS-Verfolgte und eben
auch „der halbe Stern“ e.V. an.
In all den vergangenen Jahren ging es stets um eine
bestimmte Verfolgtengruppe und ihre Verfolgung in der NS-Zeit.
Nun hat der Kreis, angeregt durch eine
Plenums-Diskussion im Nachgang zur letzten Veranstaltung (verfolgte Kinder waren
2010 das Thema) einen gewissen „Paradigmenwechsel“ vollzogen und beschlossen,
sich Themata nach 1945 zuwenden: Entschädigungsproblematik, gesellschaftliche
Eliten nach 1945 (ÄrztInnen, JuristInnen hier nur pars pro toto genannt),
Traumatisierungsleiden und insgesamt die „Befindlichkeit“ der Überlebenden in
einer zumeist ignoranten gesellschaftlichen Umwelt / Gesellschaft.
Nach diesen Hinsichten sollen die Verschiedenheiten
der jeweiligen Verfolgtengruppen Zug um Zug, Jahr um Jahr, zur Geltung, zur
Sprache gebracht werden – so wird auch ein gewisses Porträt der
bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft mit entstehen.
Für das Jahr 2011 hatten wir uns auf die Frage der
Remigration bzw. überhaupt Rückkehr/ Wiederkehr nach Köln, sei es aus den
Lagern, sie es au dem Versteck von zunächst v.a. zwei Gruppen geeinigt: derer,
die als Juden und Jüdinnen verfolgt wurden (also sowohl die, die sich dem
Selbstverständnis nach als jüdisch verstanden, verstehen, aber eben auch
diejenigen, die allein aufgrund des antisemitischen Rassismus der Nazis als
„jüdisch“ oder „halbjüdisch“ oder sonstwie als jüdisch herkünftig stigmatisiert
wurden, Partner und Partnerinnen in „Mischehen“, ihre Nachkommen – ich kürze
hier ab und nenne nicht alle Differenzierungen).
Die zweite Großgruppe ist mit den aus politischen
Gründen Verfolgten benannt (KommunistInnen, SozialdemokratInnen, bürgerlicher
und kirchlicher Widerstand, Gewerkschaften).
Seit kurzem aber haben wir eine gewisse Korrektur
dahingehend vorgenommen, dass wir uns für den 27. Januar 2011 zunächst auf die
Darstellung der Rückkehr der aus politischen Gründen Verfolgten konzentrieren,
beschränken werden, um dann für das kommende Jahr den Schwerpunkt auf die in
sich ja sehr komplexe Gruppe der „Juden“ zu legen.
Es zeichnet sich aufgrund meiner Vorarbeiten
(Recherche, Interviews) der letzten Monate ab, dass der Hauptanteil der
Vorbereitung für den übernächsten Gedenktag von unserem Verein beizutragen sein
wird (Kontakte zur Synagoge, auch zur „Zweiten Generation“).
Köln, den 19.10.10
Für den Vorstand Brigitte Gensch
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