Peter
Finkelgruen wendet sich an die Öffentlichkeit und will darauf hinweisen, wie
grausam und skandalös das Berliner Entschädigungsamt mit ihm und wohl auch mit
anderen Überlebenden der Nazi-Verfolgung umgeht. Der Exil-Pen fordert vom
zuständigen Senator eine Antwort…
Quelle:
http://www.hagalil.com/archiv/2009/11/04/finkelgruen-2/
An den Senator des Inneren
des Landes Berlin
Herrn Dr. Ehrhart Körting
Klosterstr. 47 - 10179 Berlin (Fax: 030
9027 2880)
3. November 2009
Betrifft: Hungerstreik
unseres Kollegen Peter Finkelgruen
Sehr geehrter Herr Dr. Körting,
mit großer Betroffenheit haben wir zur Kenntnis genommen,
daß eines unserer Mitglieder, der Journalist und Schriftsteller Peter
Finkelgruen, am letzten Freitag trotz seines labilen Gesundheitszustandes einen
Hungerstreik begonnen hat. Nach seinen Gründen befragt, hat Peter Finkelgruen
angegeben, daß er es nicht mehr erträgt, wie von Seiten des Berliner Entschädigungsamtes
mit ihm und wohl auch mit anderen Überlebenden der Nazi-Verfolgung umgesprungen
wird.
Peter Finkelgruen, 1942 in Shanghai geboren, verlor beide
Eltern und seinen Großvater infolge des Naziterrors und trug aufgrund seines
von den Deutschen erzwungenen Aufenthalts im Ghetto von Shanghai zahlreiche
gesundheitliche und psychische Schädigungen davon. Die Rente und die Behandlungskosten,
welche all dies “wiedergutmachen” sollen, hat er sich seit den sechziger Jahren
ausnahmslos in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Entschädigungsamt
Berlin erstreiten müssen.
Auch jetzt läuft wieder ein Verfahren, weil das
Entschädigungsamt sich weigert, die Behandlungskosten für den Herzinfarkt zu
tragen, den Peter Finkelgruen vor beinahe vier Jahren erlitt, weil dieser
angeblich nicht mit den anerkannten verfolgungsbedingten Leiden in Zusammenhang
stünde. Im Laufe dieser Auseinandersetzung erfuhr Peter Finkelgruen zudem, daß
er im Sinne des § 141a des Bundesentschädigungsgesetzes seit Jahren ein Anrecht
auf eine kostenlose medizinische Grundversorgung auch für nicht
verfolgungsbedingte Leiden durch die AOK hätte.
Peter Finkelgruen förderte nach kurzer Recherche weitere
Fälle zutage, in denen Anspruchsberechtigte des § 141a oftmals jahrelang über
diese Möglichkeit, sich Kosten und langwierige Prozesse zu ersparen, im Dunkeln
gelassen wurden.
Wir fordern Sie auf, Peter Finkelgruens Fall umgehend zu
prüfen und außerdem darauf zu dringen, daß den Bedürfnissen der wenigen
Überlebenden großzügiger Rechnung getragen wird, als es bisher der Fall gewesen
ist. Es wirft unseres Erachtens kein gutes Bild auf die Bundesrepublik
Deutschland, wenn ein Opfer der Nazis am 9. November am Berliner
Holocaust-Mahnmal völlig zu Recht die engherzige Wiedergutmachungspraxis dieses
Landes anklagt.
Wie Sie vielleicht wissen, ist das PEN-Zentrum
deutschsprachiger Autoren im Ausland die Nachfolgeorganisation des Deutschen
PEN-Clubs im Exil, der von prominenten Exilanten wie Lion Feuchtwanger und
Heinrich Mann gegründet wurde. In unseren Reihen finden sich auch heute noch
Emigranten der ersten Stunde, die vor den Nachstellungen der Nazis flüchten mußten
und nach wie vor im Ausland leben. Andere sind nach Deutschland zurückgekehrt
in der Hoffnung, dort ein Leben in Würde führen zu können.
Wir werden uns mit diesem Anliegen selbstverständlich auch
an den Internationalen PEN wenden und an die Presse derjenigen Länder, in denen
wir leben.
Hochachtungsvoll
Der Vorstand des PEN Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland
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