Reichsgesetzblatt
Teil I 1935 S. 1334, 1335 und 1336
Erste Verordnung zur
Ausführung des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre
vom 14. November 1935
Auf Grund
des § 6 des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre
vom 15. September 1935 (RGBl.
I. S. 1146) wird folgendes verordnet:
§ 1.
(1) Staatsangehörige
sind die deutschen Staatsangehörigen im Sinne des Reichsbürgergesetzes.
(2) Wer jüdischer
Mischling ist, bestimmt § 2 Abs. 2 der Ersten Verordnung vom 14. November 1935 zum Reichsbürgergesetz (RGBl.
I. S. 1333).
(3) Wer Jude
ist, bestimmt § 5 der gleichen Verordnung.
§ 2.
Zu den nach
§ 1 des Gesetzes verbotenen Eheschließungen gehören auch die Eheschließungen
zwischen Juden und staatsangehörigen jüdischen Mischlingen, die nur einen
volljüdischen Elternteil haben.
§ 3.
(1) Staatsangehörige
jüdische Mischlinge mit zwei volljüdischen Großeltern bedürfen zur Eheschließung
mit Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes oder mit staatsangehörigen
jüdischen Mischlingen, die nur einen volljüdischen Großelternteil haben, der
Genehmigung des Reichministers des Innern und des Stellvertreters des Führers
oder der von ihnen bestimmten Stelle.
(2) Bei der
Entscheidung sind insbesondere zu berücksichtigen die körperlichen, seelischen
und charakterlichen Eigenschaften des Antragstellers, die Dauer der Ansässigkeit
seiner Familie in Deutschland, seine oder seines Vaters Teilnahme am Weltkrieg
und seine sonstige Familiengeschichte.
(3) Der Antrag
auf Genehmigung ist bei der höheren Verwaltungsbehörde zu stellen, in deren
Bezirk der Antragsteller seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
(4) Das Verfahren
regelt der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Stellvertreter
des Führers.
§ 4.
Eine Ehe
soll nicht geschlossen werden zwischen staatsangehörigen jüdischen Mischlingen,
die nur einen volljüdischen Elternteil haben.
§ 5.
Die Ehehindernisse
wegen jüdischen Bluteinschlags sind durch § 1 des Gesetzes und durch §§ 2
bis 4 dieser Verordnung erschöpfend geregelt.
§ 6.
Eine Ehe
soll ferner nicht geschlossen werden, wenn aus ihr eine die Reinerhaltung
des deutschen Blutes gefährdende Nachkommenschaft zu erwarten ist.
§ 7.
Vor der Eheschließung
hat jeder Verlobte durch das Ehetauglichkeitszeugnis (§ 2 des Ehegesundheitsgesetzes
vom 18. Oktober 1935 - RGBl.
I. S. 1246) nachzuweisen, daß kein Ehehindernis im sinne des § 6 dieser Verordnung
vorliegt. Wird das Ehetauglichkeitszeugnis versagt, so ist nur die Dienstaufsichtsbeschwerde
zulässig.
§ 8.
(1) Die Nichtigkeit
einer entgegen dem § 1 des Gesetzes oder dem § 2 dieser Verordnung geschlossenen
Ehe kann nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden.
(2) Für Ehen,
die entgegen den §§ 3, 4 und 6 geschlossen worden sind, treten die Folgen
des § 1 und des § 5 Abs. 1 des Gesetzes nicht ein.
§ 9.
Besitzt einer
der Verlobten eine fremde Staatsangehörigkeit, so ist vor einer Versagung
des Aufgebotes wegen eines der im § 1 des Gesetzes oder in den §§ 2 bis 4
dieser Verordnung genannten Ehehindernisse sowie vor einer Versagung des Ehetauglichkeitszeugnisses
in Fällen des § 6 die Entscheidung des Reichsminister des Innern einzuholen.
§ 10.
Eine Ehe,
die vor einer deutschen Konsularbehörde geschlossen ist, gilt als im Inlande
geschlossen.
§ 11.
Außerehelicher
Verkehr im Sinne des § 2 des Gesetzes ist nur der Geschlechtsverkehr. Strafbar
nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes ist auch der außereheliche Verkehr zwischen Juden
und staatsangehörigen jüdischen Mischlingen, die nur einen volljüdischen Großelternteil
haben.
§ 12.
(1) Ein Haushalt
ist jüdisch (§ 3 des Gesetzes), wenn ein jüdischer Mann Haushaltungsvorstand
ist oder der Hausgemeinschaft angehört.
(2) Im Haushalt
beschäftigt ist, wer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses in die Hausgemeinschaft
aufgenommen ist, oder wer mit alltäglichen Haushaltsarbeiten oder anderen
alltäglichen, mit dem Haushalt in Verbindung stehenden Arbeiten beschäftigt
ist.
(3) Weibliche
Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, die beim
Erlaß des Gesetzes in einem jüdischen Haushalt beschäftigt
waren, können in diesem Haushalt in ihrem bisherigen Arbeitsverhältnis bleiben,
wenn sie bis zum 31. Dezember 1935 das 35. Lebensjahr vollendet haben.
(4) Fremde
Staatsangehörige, die weder ihren Wohnsitz noch ihren dauernden Aufenthalt
im Inlande haben, fallen nicht unter diese Vorschrift.
§ 13.
Wer dem Verbot
des § 3 des Gesetzes in Verbindung mit § 12 dieser Verordnung zuwiderhandelt,
ist nach § 5 Abs. 3 des Gesetzes strafbar, auch wenn er nicht Jude ist.
§ 14.
Für Verbrechen
gegen § 5 Abs. 1 und 2 des Gesetzes ist im ersten Rechtszuge die große Strafkammer
zuständig.
§ 15.
Soweit die
Vorschriften des Gesetzes und seiner Ausführungsverordnungen sich auf deutsche
Staatsangehörige beziehen, sind sie auch auf Staatenlose anzuwenden, die ihren
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inlande haben. Staatenlose, die ihren
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Auslande haben, fallen nur dann unter
diese Vorschriften, wenn sie früher die deutsche Staatsangehörigkeit besessen
haben.
§ 16.
(1) Der Führer
und Reichskanzler kann Befreiungen von den Vorschriften des Gesetzes und der
Ausführungsverordnungen erteilen.
(2) Die Strafverfolgung
eines fremden Staatsangehörigen bedarf der Zustimmung der Reichsminister der
Justiz und des Innern.
§ 17.
Die Verordnung
tritt an dem auf die Verkündung folgenden Tage in Kraft. Den Zeitpunkt des
Inkrafttretens des § 7 bestimmt der Reichsminister des Innern; bis zu diesem
Zeitpunkt ist ein Ehetauglichkeitszeugnis nur in Zweifelsfällen vorzulegen.
Berlin, den 14. November 1935.
Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern
Frick
Der Stellvertreter des Führers
R. Heß
Reichsminister ohne Geschäftsbereich
Der Reichsminister der Justiz
Dr. Gürtner
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